(Vorsicht: Kann Spuren von Ironie und Sarkasmus enthalten.)
Nicht falsch verstehen, es ist total in Ordnung, sich zu empören. Es ist in Ordnung, aus Empörung gute Politik oder gute Positionen herzuleiten. Wer sich jedoch ausschließlich empören möchte über alles und jeden, der möge dies am Stammtisch tun. Dort ist nämlich auch das in Ordnung, aber nicht in der Partei oder Politik.
Empörungspolitiker richten am wenigsten Schaden an als Aktivisten und Schildchen-Hochhalter. Überall, wo was los ist, wo Menschen auf die Straße gehen und Kameras und Aufmerksamkeit gewiss sind, da findet man auch die Empörer. Dort zeigen sie sich, suchen neue Kontakte, neue Mitstreiter und versuchen, sich mit Realpolitikern zu vernetzen.
Solange sie dort keine fundierteren Statements abgeben wollen, sollen oder müssen, ist das noch halbwegs zu ertragen. Mit den Fakten beschäftigen sich die Empörer ohnehin weniger, vor allem dann nicht, wenn dadurch das Empörungspotential flöten geht. Dinge über politische Mechanismen und Prozesse wirklich und rechtssicher zu verändern ist nämlich nicht so ihr Ding. Davon kann man auch nicht so tolle Bilder auf Twitter und Facebook posten, das ist langweilig und irgendwie undurchsichtig für die Empörer.
Wenn der Empörer nicht gerade für oder gegen irgendetwas auf die Straße geht oder sich auf irgendwelchen politischen Veranstaltungen rumdrückt, von denen er das politisch eher weniger mitbekommt, sondern den Schwerpunkt auf Veranstaltung (am besten mit Kameras) versteht, dann repostet er fleissig Empörungsmeldungen auf Twitter und Facebook. Das Ego hat schliesslich immer Hunger und muss ordentlich gefüttert werden. Man hat ja sonst nichts.
Je empörender ein Post, desto besser, wobei es von untergeordneter Wichtigkeit ist, ob die Meldung real ist oder einfach nur zu verlockendes Empörungspotential bietet. Da darf es auch gerne mal die große Weltpolitik sein aus den fernsten Ecken der Erde, Hauptsache es ist schlimm und gut empörbar. Fakten verwirren ohnehin mehr, als dass sie den Empörer interessieren.
Ein schöner Satz zu diesem Thema kommt übrigens von Jan Hemme:
Was mich antreibt ist die aktive Entwicklung und Gestaltung von Alternativen, nicht die bloße Beschreibung von Mängeln oder die Zurschaustellung von Empörung.
Update 09. April 2013: Gerade flattert mit dem Titel „Ich wähle keine Heulsusen“ ein passender Artikel von Enno Lenze rein.
Update 19. Juni 2013: In den Tagen von #prism und #neuland gefällt mir auch der wieder häufiger verwendete Begriff von den Berufsempörten sehr gut :D
Update 20. Juni 2013: Der große Traum von Berufsempörten ist es, irgendwann mal für’s Empören bezahlt zu werden, Dagegensein als Beruf also. Sie übersehen dabei jedoch, das die Tätigkeit als hauptberuflicher „Bewegungsarbeiter“ vor allem eines ist: Arbeit. Wer hätte das gedacht :D