Politik

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Haben wir keine anderen Sorgen?

Immer, wenn einer Disputant*in in einer Debatte nichts mehr einfällt oder er/sie einfach keine Argumente hat, wird die Floskel „Haben wir keine anderen Sorgen?“ zum Besten gegeben. Was steckt eigentlich wirklich dahinter, habt ihr darüber mal nachgedacht?

Ein Ziel  dieses Ausspruchs dürfte wohl sein, eine Debatte über einen bestimmten Sachverhalt gar nicht erst zuzulassen bzw. sofort zu unterbinden, also quasi ein Denkverbot zu erlassen. Das Denkverbot wird dadurch legitimiert, dass ein „Haben wir keine anderen Sorgen?“ scheinbar keinen Widerspruch duldet, denn natürlich haben Probleme unterschiedliche Wertigkeiten. Abgesehen davon jedoch, dass selbst die Wertigkeit von Problemen sehr subjektiv ist und von unterschiedlichen Zielgruppen garantiert auch unterschiedlich bewertet wird wäre die logische Schlussfolgerung eines solchen Totschlagargumentes, das (vermeintlich) unwichtigere Probleme so niemals angepackt werden würden. Will man das wirklich?

Es ist ohnehin selten sinnvoll, Missstände gegeneinander aufzurechnen oder Minderheiten (überhaupt Personengruppen) gegeneinander auszuspielen. Man sollte sich vielmehr darauf konzentrieren, ob eine Massnahme für sich sinnvoll ist oder nicht. Wenn man gute Gegenargumente hat, sollte man diese vorbringen, wenn nicht, dann eben nicht.

Eine Debatte basierend auf echten Argumenten ist fast immer auch dann sinnvoll, wenn man am Ende keine Mehrheit für einen Vorschlag bekommt, denn mit Sachargumenten – egal ob dafür oder dagegen – kann man arbeiten, seine eigene Meinung reflektieren oder auch eine Idee so anpassen und wandeln, dass es vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt passt.

Ein „Haben wir keine anderen Sorgen?“ ist leicht erkennbar als das, was es ist: Ein Nicht-Argument, weil man nichts besseres zur Hand hat und eigentlich nur seinen Gegenüber herabsetzen und seinen Vorschlag lächerlich machen möchte. Das sagt auch immer etwas über den Aussprechenden aus, nie etwas über den Angesprochenen.

Fatal ist dabei, dass diese Killerphrase oft benutzt wird, wenn es um den Schutz der Rechte von Minderheiten geht, um den Einsatz für Gleichberechtigung, Gleichstellung, gegen Rassismus oder auch gegen Homophobie.

Bitte versteht mich auch nicht falsch, natürlich gibt es immer auch wirklich wichtige existentielle Probleme und diese sollen und müssen auch bearbeitet werden, darüber muss man wohl nicht debattieren. Wer der Meinung ist, ein großes Problem wird zu wenig beackert, der sollte sich FÜR dieses Problem engagieren und nicht anderen Menschen vorhalten, das deren Probleme und Sorgen (vermeintlich) keine wären oder gegenüber den „wichtigen“ Problemen nicht zählten.

Ein guter Kumpel von „Haben wir keine anderen Sorgen?“ ist übrigens „Dafür ist Geld da, aber für Obdachlose|Schultoiletten|Bildung|Kinder|WTF! nicht!“ …

Unwahrheitverbreiter ignorieren? Bekämpfen? Lieben!

Menschen, die Unwahrheiten über andere Menschen verbreiten um sich selbst irgendwie interessanter zu fühlen benötigen eure Hilfe. Ächtet sie nicht, sondern reicht ihnen die Hand. Helft ihnen dabei, das Konzept des sozialen Miteinanders zu verstehen, sich selbst zu lieben und sich nicht immer nur im Vergleich zu anderen Menschen zu bewerten und einzuordnen. Gebt die Hoffnung nicht auf, sondern sendet ihnen Liebe, um Hass, Neid und Missgunst zu vertreiben. Je mehr so reagieren, desto eher wird sich eine Veränderung einstellen. Habt Vertrauen.

Wer eine Idee davon bekommen möchte, warum einem immer wieder solche Menschen begegnen, ja, was der Sinn dahinter sein könnte, der möge sich die Geschichte von der „Kleinen Seele, die mit Gott spricht“ mal reinziehen. Mir hat die Geschichte von Neale Donald Walsch sehr geholfen, Vorgänge dieser Art in einem anderen Licht zu sehen.

„Denke stets daran“, hat Gott mit einem Lächeln gesagt, „ich habe dir immer nur Engel geschickt.“

Love & Light

Empörungspolitik widert mich an!

(Vorsicht: Kann Spuren von Ironie und Sarkasmus enthalten.)

Nicht falsch verstehen, es ist total in Ordnung, sich zu empören. Es ist in Ordnung, aus Empörung gute Politik oder gute Positionen herzuleiten. Wer sich jedoch ausschließlich empören möchte über alles und jeden, der möge dies am Stammtisch tun. Dort ist nämlich auch das in Ordnung, aber nicht in der Partei oder Politik.

Empörungspolitiker richten am wenigsten Schaden an als Aktivisten und Schildchen-Hochhalter. Überall, wo was los ist, wo Menschen auf die Straße gehen und Kameras und Aufmerksamkeit gewiss sind, da findet man auch die Empörer. Dort zeigen sie sich, suchen neue Kontakte, neue Mitstreiter und versuchen, sich mit Realpolitikern zu vernetzen.

Solange sie dort keine fundierteren Statements abgeben wollen, sollen oder müssen, ist das noch halbwegs zu ertragen. Mit den Fakten beschäftigen sich die Empörer ohnehin weniger, vor allem dann nicht, wenn dadurch das Empörungspotential flöten geht. Dinge über politische Mechanismen und Prozesse wirklich und rechtssicher zu verändern ist nämlich nicht so ihr Ding. Davon kann man auch nicht so tolle Bilder auf Twitter und Facebook posten, das ist langweilig und irgendwie undurchsichtig für die Empörer.

Wenn der Empörer nicht gerade für oder gegen irgendetwas auf die Straße geht oder sich auf irgendwelchen politischen Veranstaltungen rumdrückt, von denen er das politisch eher weniger mitbekommt, sondern den Schwerpunkt auf Veranstaltung (am besten mit Kameras) versteht, dann repostet er fleissig Empörungsmeldungen auf Twitter und Facebook. Das Ego hat schliesslich immer Hunger und muss ordentlich gefüttert werden. Man hat ja sonst nichts.

Je empörender ein Post, desto besser, wobei es von untergeordneter Wichtigkeit ist, ob die Meldung real ist oder einfach nur zu verlockendes Empörungspotential bietet. Da darf es auch gerne mal die große Weltpolitik sein aus den fernsten Ecken der Erde, Hauptsache es ist schlimm und gut empörbar. Fakten verwirren ohnehin mehr, als dass sie den Empörer interessieren.

Ein schöner Satz zu diesem Thema kommt übrigens von Jan Hemme:

Was mich antreibt ist die aktive Entwicklung und Gestaltung von Alternativen, nicht die bloße Beschreibung von Mängeln oder die Zurschaustellung von Empörung.

Update 09. April 2013: Gerade flattert mit dem Titel „Ich wähle keine Heulsusen“ ein passender Artikel von Enno Lenze rein.

Update 19. Juni 2013: In den Tagen von #prism und #neuland gefällt mir auch der wieder häufiger verwendete Begriff von den Berufsempörten sehr gut :D

Update 20. Juni 2013: Der große Traum von Berufsempörten ist es, irgendwann mal für’s Empören bezahlt zu werden, Dagegensein als Beruf also. Sie übersehen dabei jedoch, das die Tätigkeit als hauptberuflicher „Bewegungsarbeiter“ vor allem eines ist: Arbeit. Wer hätte das gedacht :D

Emilio Paolini

Zum Umgang miteinander – Die häufigsten Fallen

Der nachstehende äußert genialen Text hat mich über das Internet gefunden. Beim Lesen hatte ich – quasi bei jeder Zeile – sofort andere Menschen aus meinem sozialen Umfeld vor Augen. Hier und da blickte ich auch in einen Spiegel. Ich habe den Text dahingehend angepasst, dass ich die Zeilen durchbuchstabiert habe. Künftig werde ich Leuten, die zu schlimm nerven, einfach den Link auf diesen Beitrag zusammen mit dem/den entsprechenden Buchstaben schicken in der Hoffnung auf Besserung :P

Wer also auf diesem Wege auf diese Seite gelangt ist, möge sich bitte den entsprechenden Buchstaben raussuchen und darüber nachdenken. Freue mich auf konstruktive Dialoge …

Öfter als mensch denkt scheitert eine Zusammenarbeit nicht an der gemeinsamen Zielsetzung, sondern daran wie die Beteiligten sich verhalten. Wir sollten folgende negative Verhaltensweisen abstellen, die immer wieder auftauchen:

  1. Die Show abziehen: Zu viel, zu lang und zu laut reden.
  2. Der Problem-Löser: Ständig die Antwort oder die Lösung eines Problems liefern, noch bevor andere die Gelegenheit haben, sich einzubringen.
  3. IN GROSSBUCHSTABEN REDEN: Die eigene Lösung oder Meinung als DAS letzte und abschließende Wort zum Thema einbringen (wird oft verstärkt durch den Ton in der Stimme und die Körperhaltung).
  4. Verteidigungshaltung: Auf jede entgegengesetzte Meinung so antworten, als sei es ein persönlicher Angriff: „Offensichtlich hat keiner verstanden, was ich gesagt habe. Was ich meinte, war…“.
  5. Haarspalterei: Unbedeutende Fehler in den Stellungnahmen anderer herauspicken, Ausnahmen zu jeder Regel feststellen.
  6. Wiederholen: Genau dasselbe wiederholen, was ein/e Frau/Mann gerade vollkommen klar und deutlich gesagt hat.
  7. Aufmerksamkeit suchen: Alle dramatischen Mittel einsetzen, um ins Scheinwerferlicht zu kommen.
  8. Wichtigtun: Durch die Beobachtung von Gruppenprozessen und Formalem die Aufmerksamkeit auf sich lenken und dadurch die Verantwortlichkeit von Einzelnen und von der Gruppe verhindern.
  9. Herabsetzen: „Ich habe das früher auch geglaubt, aber inzwischen…“. „Willst du wirklich behaupten, dass…?“.
  10. Immer kritisieren: An allem und jedem etwas Schlechtes oder Problematisches finden.
  11. Das Gesprächthema verändern: Die Diskussion auf die eigenen Lieblingsthemen lenken, um die eigene Lieblingsmeinung loszuwerden.
  12. Der Pöstchen-Halter: An formalen Machtpositionen festkleben.
  13. Nicht zuhören: Nach den ersten paar Sätzen anderer in Gedanken eine Antwort formulieren, von da an auf nichts mehr achten und in die erste Pause hineinplatzen.
  14. Unversöhnlichkeit u. Dogmatismus: Auch in den kleinsten Punkten auf der eigenen Position beharren.
  15. Gefühle vermeiden: Intellektualisieren, sich in Passivität flüchten oder Witze machen, wenn es an der Zeit wäre, Gefühle zu äußern.
  16. Herablassung und Paternalismus (väterliches Getue): „Na, will denn nicht mal eine von den Frauen was dazu sagen?“
  17. Frauen anmachen: Sexualität einsetzen, um Frauen zu manipulieren.
  18. Aufmerksamkeit und Unterstützung vom eigenen Geschlecht suchen und zugleich mit dem anderen Geschlecht konkurrieren.
  19. Sich überstürzen: Ständig Aufgaben übernehmen, bevor andere die Chance haben, sich freiwillig zu melden.
  20. Der Promovierte: Schlüsselinformationen für sich behalten und zu eigenem Nutzen und Vorteil einsetzen.
  21. Für andere sprechen: „Viele von uns meinen, dass wir dies und jenes tun sollten…“; „Was XY wirklich meinte, war…“.

(teilweise aus: „Sexismus – in politischen Gruppen“ Libertäre Tage FFM)

Geklaut bei: http://www.anarchismus.at/anarcha-feminismus/antisexismus/815-zum-umgang-miteinander-die-haeufigsten-fallen

Originaltext: http://anarchosyndikalismus.org/asn05.htm

Ergänzend zu der vorstehenden Liste sollte man auch die (Natur-)Gesetze kennen, anhand derer man erkennen kann, wann jemand eine Diskussion verloren hat (aber bitte nur begrenzt ernst nehmen ^^).

„Nutzer Harry“ zu Konsenslisten

Nachfolgendes schreibt „Nutzer Harry“ auf einer Mailingliste der PIRATEN Partei eines Berliner Bezirks. Weil ich den Text interessant und anregend fand, poste ich ihn mal auf meinem Blog. Lest selbst. Denkt selbst.

Okay Leute auf der ML,

das ist ein ganz wichtiges Thema, weil es nicht nur die Kommunalpolitik betrifft!

Die Konsenslisten sind sozusagen Schablonen wie abzustimmen ist, bezogen auf die – angeblich – unstrittigen Punkte.

Konsenslisten werden von Gremien erstellt, welche die eigentliche Sitzung der Entscheider bzw. des Entscheidergremiums vorbereiten. Die Einflüsterer oder Vorkäuer der Entscheider sozusagen. Dummerweise haben die Menschen in den Entscheidergremien die Neigung (eine elende menschliche Schwäche!), den Empfehlungen der Vorbereiter nahezu blind zu folgen. :( Die Vorbereiter haben ihnen die (schwere) Verantwortung der Entscheidung ja bereits abgenommen. Das sind so eine Art Autoritäten, die Vorbereiter, und die können so etwas, den einzelnen Antrag etc. wirklich beurteilen, denkt der durchschnittliche Entscheider über den durchschnittlichen Vorbereiter. Es sind halt Ahnungslose unter sich. :o)

Was in der hier besprochenen Konstellation der ÄR in Verbindung mit der BVV ist, gilt genau so für z. B. Antragskommissionen in Verbindung mit ihren Parteitagen und viele andere Konstelationen. Die Delegierten von Parteitagen nicken die Empfehlungen „ihrer“ Antragskommission in der Regel einfach nur ab. Die Masse der Delegierten, die von dem jeweiligen Thema i. d. R. ohnehin keine Ahnung haben bzw. das glauben (fehlendes Selbstvertrauen!), als Stimmviehvolk sozusagen. Aber die sind nicht Stimmvieh, im Sinne von dumm, sondern eher hilflos und quasi überfordert und/oder einfach faul. Je mehr auf den Konsenslisten – in allen Zusammenhängen – steht, umso früher kann man übrigens auch nach Hause gehen, raus aus der Sitzung, der Tagung, dem Parteitag, der BVV- oder AGH-Sitzung und so weiter. ;)

Das ist ein ganz zentraler Aspekt, wenn man verstehen will, warum hier in diesem Staat, mit seiner speziellen Variante der repräsentativen Demokratie, so viel so ungut läuft. Die Gefolgschaft der Masse der Delegierten ist mitverantwortlich dafür, so wie die Vorbereiter in den ÄR, AK etc. auch, die ihre (Macht)Stellung sehr oft missbrauchen, dass so viel Dinge einfach durchgewunken werden.

Natürlich können die Entscheider (z. B. Delegiert auf einem Parteitag) einzelne oder alle Anträge von der Konsensliste holen. Es reicht auch immer, wenn nur ein einziger der versammelten Delegierten das will! Aber oft haben die Leute das schlicht nicht drauf. Versteht ihr? Es geht um Psychologie dabei – und die ist, wie so oft in der Politik, entscheidend.

Und die Vorbereiter (wiederum) denken, auch weil es ihnen permanent von den Vorsitzenden u. a. suggeriert wird, dass sie möglichst viel auf die Konsenslisten schaufeln müssen, weil die Entscheider das ja (angeblich) so wollen. So ein Quatsch. So ein Irrsinn. Hier wird die Demokratie ausgehebelt, und (fast) alle machen (fast) immer mit. Aber hallo…! …

…Es ist zum verzweifeln, wenn man es erst einmal durchschaut hat, aber zugleich auch einfach nur noch zum lachen, weil es so komplett hohl und im selben Moment typisch menschlich ist.

Schönen 1. Mai wünscht

~ Harry